Ich wollte die Prinzessin heiraten


Würde man an Schicksal glauben, so hatte mein letzter Auftrag seinen Ursprung höchstwahrscheinlich vor 35 Jahren, als ich noch ein kleiner Junge war und die Prinzessin vom Schloss Tarasp heiraten wollte. Als ich nämlich im Engadin aufwuchs, war das wunderbare Schloss von Tarasp allgegenwärtig und das Wahrzeichen schlechthin. Und ja, ich wollte damals tatsächlich die Prinzessin heiraten, bis ich von meinem Vater erfuhr, dass diese zwischenzeitlich wohl schon eine sehr alte Dame sein müsste. Dieser Traum war somit geplatzt und doch habe ich zwischenzeitlich meine Prinzessin gefunden.

schloss tarasp


Das Schloss welches vor 1000 Jahren auf den Ruinen eines Römerturms gebaut wurde, hatte in seiner Geschichte viele Besitzerwechsel und so gehörte es vielen Schlossherrn und Administratoren, von den Habsburgern, über den Odol-Erfinder Karl August Lingner, bis hin zur Familie des Grossherzogs von Hessen.


2016 wurde das Schloss dann vom international bekannten engadiner Künstler Not Vital gekauft und sehr liebevoll, mit äusserst viel Geschmack restauriert und eingerichtet. In der Zwischenzeit ist es nicht mehr einfach nur ein Schloss, sondern beinhaltet viele Kunstwerke von Not selber und dessen Freunden. Ein Besuch lohnt sich definitiv!


Not Vital war und ist für mich bis heute weit mehr als unser engadiner “Lokalmatador der Künste“, welcher auf der ganzen Welt zuhause ist. Ich hatte nämlich das Glück vor 35 Jahren, für 2 Jahre, im Haus seiner Eltern aufzuwachsen, wo ich meine erste Kunstluft schnuppern durfte. Noch heute denke ich sehr gerne an diese spannende Zeit zurück, wo ich abends auch im Wohnzimmer seiner äusserst liebevollen Eltern meine Kinderhörspiele hörte und Apfelmus ass, oder als ich mit seiner Mutter, nach der Schule, im Garten am Gärtnern war.


Als ich im August dieses Jahres eine Wanderung durch das Unterengadin machte, als meine Frau und ich wieder in der alten Heimat waren, liefen wir Not über den Weg und wir haben uns ein wenig ausgetauscht. Er wollte wissen, was ich heutzutage so treibe und ich erzählte ihm von meinem Sprecherdasein. Tja und vor genau zwei Wochen dann bekam ich einen unerwarteten Anruf seiner Kuratorin, welche mich fragte, ob ich kurzfristig Zeit hätte den romanischen Audioguide zu sprechen. Und da es sich um eine Koryphäe der zeitgenössischen Kunst handelt, musste ich einfach zusagen und ich fühle mich sehr geehrt, dass ich das machen durfte!


Was an diesem Auftrag jedoch das Ungewöhnlichste war, was ich bis jetzt in meiner Sprecherzeit erleben durfte… Die Aufnahmen fanden nicht in einem gewöhnlichen Studio statt, sondern direkt im Schloss von Tarasp. Ein besserer Ort hätte es nicht geben können, um sich von dem inspirieren zu lassen, wovon man spricht. So ging meine gestrige Reise ins Unterengadin und zu Fuss hoch in das Schloss, wo am Nachmittag zuerst die imposante Orgel aufgenommen wurde (welche mit 3000 Pfeifen die grösste Orgel in Privatbesitz Europas ist), dann noch ein Stück auf dem Flügel, auf welchem bereits Benjamin Britten spielte, bis ich dann an der Reihe war und den gut einstündigen Audioguide einsprach.



Falls ihr euch jetzt fragt, was das ganze mit dem Heiraten der Prinzessin auf sich hat, hier die Auflösung. Da wir für meine Aufnahmen den Raum mit am wenigsten Hall gesucht haben, sind wir am Schluss im Zimmer der Hofdame gelandet. Schliesslich war der Raum nicht all zu gross und die Wände waren mit kostbarer Seide aus Genua eingekleidet, was für eine gute Akustik sorgte. Ich habe schlussendlich zwar nicht die Prinzessin geheiratet, da jedoch das Bett kurzerhand zu meinem Arbeitsplatz umfunktioniert wurde, könnte man dafür jetzt behaupten, dass ich mit der Prinzessin dennoch das Bett geteilt habe 😉.


Falls ihr mehr über das Schloss und die Kunst von Not Vital erfahren möchtet, geht es HIER auf die Seite.

Gehet denn wohl ihr holden Leser 😀

 

signatur

 

 

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